dem linken größeren Teil zu tun? Sie sind exakt im gleichen Abstand senkrecht übereinander ge-hängt. Was macht sie zum Teil einer Arbeit (außer dem Titel, der sie zu Portrait 1 oder II zugehörig ausweist)?
Die Verbindung wird formal zwingend hergestellt durch die Größe der Tafeln, die der Größe des Augenbalkens entspricht. Sie verweisen als Zeichen nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf das große Bild mit dem Augenbalken. Wie ein Puzzle kann der Betrachter in Gedanken Ausschnitte in die passende, negative Aussparung bei Portrait II oder über den schwarzen Augenbalken bei Portrait 1 legen. Doch das Puzzle ergibt kein Bild im Sinne einer Ergänzung. Da jedoch der formale Bezug zwingend ist, ergibt sich eine ständige Bewegung in der Anschauung. Das über den Ausschnitt hinaus gedachte, ins Monumentale gesteigerte Bild einer fiktiven Person zwingt den Betrachter zur Identifikation. Die Abdeckung der Augen scheint diesen Prozeß noch zu verstärken, da der distanzie-rende, abweisende Blick des (der) ,,Portraitierten" fehlt. So können in der Anschauung aller Teile gewissermaßen Sehendes und Gesehenes zusammenfallen. Auch eine andere Wirkung ist möglich: Das Ineinanderfallen der rechten Bilder und der markierten Augenpartie zwingt den Betrachter gleichzeitig in die Rollen von Täter und Opfer (er wird zur Identifikation gezwungen und ist gleichzeitig an der Auslöschung beteiligt).
Gibt es eine Hierarchie des Gesehenen, die in den kleinen Tafeln zur Darstellung kommt? Hierarchie der Zeichen, die Trennung von Wesentlichem und Unwesentlichem gehört ja zum Prinzip des fotografischen Sehens. Die einzelnen Objekte der Installation könnten von links nach rechts oder von oben nach unten ,,gelesen' werden. Die Anordnung der einzelnen Teile leistet einem solchen Sehen jedoch Widerstand. Es kann keine fotografische Perspektive kein zusammenhän-gendes fiktives Bild vom Betrachter konstruiert werden (was die Bildung einer Hierarchie erleichtern würde>. Die symmetrische Anordnung der kleineren Bildtafeln - die Mittelachse wird durch den Augenbalken im linken Teil bestimmt - verhindert eine Hierarchie ebenfalls. Der Grad der Abstraktion wechselt, wie bereits festgestellt wurde, in der Bewegung. Während uns ein Teil der Arbeit im Visuellen festhält, drängt uns der andere Teil zur Durchsicht auf etwas Reales. Damit ist die von Kant formulierte Definition der Erfahrung des Schönen erfüllt: Sinnliche Wahrnehmung und intellektuelle Aneignung sind in ein zwangloses Spiel miteinander eingetreten.
Die vor allem aus der Distanz wahrnehmbaren Strukturen des rechten Teils mögen vielleicht an abstrakte Fotogramme erinnern, wie sie etwa Moholy-Nagy geschaffen hat, um ,,Licht als Gestaltungsmittel, wie in der Malerei die Farbe, in der Musik den Ton' zu verwenden. Ganz abgesehen davon, daß das Licht hier nicht nur schwarz-weiße Strukturen schafft
 

(wie in den damals entstandenen Fotografien), sondern Farbe hervorbringt, verleugnen diese Bilder ihren Bezug zur Realität nicht. Sie wollen nicht abstrakte Malerei nachahmen.
m Gegenteil. Rudolf Bonvie hat (hier soll ausnahmsweise auf eine Information des Künstlers selbst Bezug genommen werden) durch Vergrößerung das Abbild jeweils auf die Größe des Gegenstandes gebracht Es ist, als ob die Dinge von sich aus ihre Oberfläche zeigen, ohne von uns identifiziert und damit klassifiziert werden zu können. Die Fotografie bleibt Fotografie, sie gibt sich ausdrücklich als Fotografie zu erkennen und unterläuft doch gleichzeitig ihre Funktion, die Welt in Bildern verfügbar zu machen. Jedes einzelne Teil eines Portraits verweigert die Konstruktion eines Standpunktes.
In früheren Arbeiten hat Bonvie gezeigt, daß die öffentlichen Portraits in den Medien kaum Aussagekraft haben, daß sie weniger bedeuten als ihre Legenden. Ihre teilweise oder vollständige Auslöschung brachte eine reichere Anschauung zustande als ihre bloße technische Reproduktion es vermocht hätte. Wenn Wörter und Texte Bilder ergänzen, ja ihre KompIexität erst herstellen, warum sollen nicht auch Bilder diese Funktion übernehmen können? So wechseln die beiden Teile der Portraits gewissermaßen ständig ihre Rolle. Sie verweisen in der ästhetischen Anschauung auf sich selbst und aufeinander. Das Unzureichende eines Einzelbildes wird damit ebenso betont wie die Möglichkeit, zum Zentrum eines Bildes zu werden. Es ist, als ob sich das Verfahren, Bilder über die Welt und über Personen zu machen, dabei selbst in den Blick nimmt. Das heißt, die einzelnen Bildtafeln, die sich in ihrer An-ordnung und in der Form ihrer Präsentation (objekthafte Rahmung, vor allem die Distanz zwischen den Teilen) einer Sicht als Assemblage oder Collage verweigern, bilden kaum mehr als Hypothesen in bezug auf den Gebrauch des Ganzen. Das aber verweist letztlich auf den Betrachter. So können die Portraits auch im gewissen Sinn zu Selbstportraits des Betrachters werden.
Portrait III unterscheidet sich von den ersten beiden insofern, als hier die Abstraktion nicht soweit getrieben wird. Hier wird auch nicht aus der Medienwelt der Bilder zitiert und damit auf die technische Reproduktion von Bildern verwiesen oder der Betrachter genötigt, die Rolle von Täter oder Opfer zu spielen, wie in Portrait 1 und II. Eine formale Ähnlichkeit ist nur gegeben durch die zweiteilige Hängung mit einem senkrechten und drei waagerechten Bildern. Alle Teile geben sich eindeutig als Fotos zu erkennen, wodurch der Gegenstandsbezug zwingend ist. Im Gegensatz zu Portrait 1 und Portrait II ist der Bezug zu einer konkreten Person im rechten Block gegeben (statt links wie bei 1 und II). Man sieht im Ausschnitt eine Hautoberfläche (der Hemdkragen verweist auf ,,Hals"). Die Struktur der Haut läßt vermuten, daß es sich um einen sehr alten