Was war die Folge des Nein? Nichts. Das Nein änderte nichts am desolaten Zustand der Nation, an den Fabrikschließungen, der Abwanderung der Betriebe, dem drohenden Zusammenbruch der Alters-, der Arbeitslosen- und der Krankenversicherung. Aber das Nein hatte gesiegt. Und der neue Premierminister Dominique de Villepin zog daraus die einzig mögliche Konsequenz: Er sagte dem französischen Volk, dass er am »französischen Modell« nichts ändern werde. Dieses schlichte Programm ist in einer Republik, in der jeder Versuch einer echten Reform mit einem Massenstreik beantwortet wird, ein guter Ausgangspunkt für eine Karriere.
Villepin tröstete sein Volk nicht mit Taten, sondern mit Worten. Er streichelte das siegreiche Nein, bis es zu schnurren begann. Er werde, gegen die Attacken der ausländischen Konzerne, den »ökonomischen Patriotismus« in Frankreich einführen. Und drittens schwadronierte der neue Premier, der jetzt schon als künftiger Präsident gehandelt wird, von der »historischen Mission« und der »Sonderstellung Frankreichs« sowie Mitte September vor der UN von der »gaullistischen und weltumspannenden Botschaft Frankreichs«, was in weiten Kreisen stillschweigendes Wohlbehagen und nationalistische Zufriedenheit erzeugt.

War es hohle Rhetorik? War es Größenwahn? Die maßlose Übertreibung lässt uns lächeln, aber sie hatte den Zweck, dem verletzten Selbstwertgefühl der Franzosen zu schmeicheln. Nur tut de Villepin es mit einem untauglichen Mittel: - mit Illusionen wie sein Vorbild de Gaulle, als er vor 60 Jahren den Franzosen in einer berühmten Rede, die jedem Kind mit der Muttermilch verabreicht wird, eine von patriotischer Verblendung eingegebene Version der Befreiung Frankreichs auftischte. Nicht die Alliierten, sondern die französische Armee hätte Frankreich und, mit Hilfe der Pariser Bevölkerung, Paris befreit. De Gaulle wollte mit dieser manifesten Lüge der angeschlagenen Moral der Franzosen auf die Beine helfen. Er hatte Erfolg damit und ist insofern für die systematische Verleugnung der Wirklichkeit in der Politik verantwortlich. Frankreich bezahlte dafür einen hohen Preis.
Die französische Politik hat seit dem Zweiten Weltkrieg, als das Kolonialreich zusammenbrach, ein großes Problem mit der Wahrnehmung der Realität, genau genommen seit eben jenem unvergesslichen 25. August 1944, als de Gaulle, vier Tage vor den Alliierten, in Paris einmarschierte und den Franzosen weismachte, sie, die alte Weltmacht, hätten den Krieg zuletzt noch heroisch gewonnen. An diesem Tag versäumten sie es, der Wahrheit ins Auge zu sehen, die darin bestand, dass sie den Krieg niederschmetternd verloren hatten, dass sie keine Weltmacht mehr waren
und als solche von den Amerikanern, denen sie überdies noch ihre Befreiung verdanken und die sie seither mit einer pathologischen Hassliebe verfolgen, die immer mehr in Hass übergeht, abgelöst wurden. Aber je mehr die Geschichte voranschreitet, je mehr der Einfluss Frankreichs in der Welt zusammenschrumpft, desto stärker hält es an der Illusion seiner Besonderheit fest.

 

Die miesesten Gefühle brachen sich Bahn, und der »polnische Klempner« wurde zum Symbol einer beispiellosen xenophoben und nationalistischen Hetze. Er gefährde einheimische Arbeitsplätze, doch kein Politiker hatte die Kraft, mit einer überzeugenden Rede auf die jüngst errungene Freiheit der Völker Europas, auf die alte Freundschaft mit Polen, auf die kosmopolitische Tradition Frankreichs und seine legendäre Großherzigkeit hinzuweisen, um endlich hinzuzufügen, dass niemand willkommener sei als der polnische Klempner in einem Land, in dem es an Tausenden von Handwerkern fehlt, an Malern, Tischlern und Maurern. Der Sieg des Nein hat Frankreich nicht mächtiger gemacht, sondern geschwächt. Es kam wie ein Bumerang zurück.
Chirac wurde zur Schießbudenfigur aller europäischen Karikaturisten, die Nachbarstaaten, die mit Ja gestimmt hatten, fühlten sich verraten, und Frankreich verlor den Kampf um die Olympischen Spiele - ausgerechnet gegen die Engländer mit ihrem so andersartigen »liberalen System« (in Frankreich ein Schimpfwort für entfesselten Kapitalismus), das vor Vollbeschäftigung und Energie platzte. Auf das Nein Frankreichs zu Europa folgte ein Nein der Welt zu Frankreich. Was war die Folge des Nein? Nichts. Das Nein änderte nichts am desolaten Zustand der Nation, an den Fabrikschließungen, der Abwanderung der Betriebe, dem drohenden Zusammenbruch der Alters-, der Arbeitslosen- und der Krankenversicherung. Aber das Nein hatte gesiegt. Und der neue Premierminister Dominique de Villepin zog daraus die einzig mögliche Konsequenz: Er sagte dem französischen Volk, dass er am »französischen Modell« nichts ändern werde. Dieses schlichte Programm ist in einer Republik, in der jeder Versuch einer echten Reform mit einem Massenstreik beantwortet wird, ein guter Ausgangspunkt für eine Karriere.

Villepin tröstete sein Volk nicht mit Taten, sondern mit Worten. Er streichelte das siegreiche Nein, bis es zu schnurren begann. Er werde, gegen die Attacken der ausländischen Konzerne, den »ökonomischen Patriotismus« in Frankreich einführen. Und drittens schwadronierte der neue Premier, der jetzt schon als künftiger Präsident gehandelt wird, von der »historischen Mission« und der »Sonderstellung Frankreichs« sowie Mitte September vor der UN von der »gaullistischen und weltumspannenden Botschaft Frankreichs«, was in weiten Kreisen stillschweigendes Wohlbehagen und nationalistische Zufriedenheit erzeugt.
War es hohle Rhetorik? War es Größenwahn? Die maßlose Übertreibung lässt uns lächeln, aber sie hatte den Zweck, dem verletzten Selbstwertgefühl der Franzosen zu schmeicheln. Nur tut de Villepin es mit einem untauglichen Mittel: - mit Illusionen wie sein Vorbild de Gaulle, als er vor 60 Jahren den Franzosen in einer berühmten Rede, die jedem Kind mit der Muttermilch verabreicht wird, eine von patriotischer Verblendung eingegebene Version der Befreiung Frankreichs auftischte.