dieser Fotoarbeiten festzuhalten, im Sinne eines nach innen gerichteten Bedeutungsspektrums, um jene Arbeits- und Gestaltungsperspektiven zu verstehen, die sein Werk im Umgang mit dem Medium Fotografie von früh an prägen. Sein Interesse richtet sich darum nicht darauf, was im fotografischen Medium technisch möglich und faktisch inhaltlich geleistet wird, also nicht auf die ,Botschaft' des Mediums, auf den ,schönen' Schein und die Illusionen, die hierdurch im Betrachter genährt werden. Er setzt sich vielmehr mit der sozialen Funktion, mit den Handlungs- und Bedeutungsfeldern, mit den Wirkungsmechanismen der reproduktiven Medien Fotografie und Video im gesellschaftlichen Raum auseinander. Diese sagen sehr viel mehr über uns selbst, über unser Selbstverständnis in dieser Gesellschaft, über die prägenden politischen, kulturellen, ökonomischen, nicht zuletzt existentiellen und philosophischen Leitideen aus, die unser Leben bestimmen.
Das bildnerische Werk von Rudolf Bonvie geht von der Malerei aus. Es entfaltet sich folgerichtig, um heute mit analogen Mitteln der Fotografie im Sinne von Malerei zu neuen, zukunftweisenden Gestaltungslösungen zu finden. Sein Werk dokumentiert eine Offenheit, die, je nach der Frage, die er sich künstlerisch stellt, neben der Fotografie in den verschiedendsten Handhabungsformen und Techniken, die Sprache, Aktionen, Zeichnungen, Installationen, Skulpturen, Objekte und Video mit einbezieht.
Gerade darum gewinnt die Kombination der neuesten Werkgruppe von 1989 mit Fotoarbeiten von 1978 und 1979 einen besonderen inhaltlichen und methodischen, ja didaktischen Stellenwert. Rudolf Bonvie setzt sich nach einer frühen Gruppe von Fotoarbeiten 1975/76, in denen er soziale Verhaltens- und Identifikationsweisen als Fragen des Porträtierten an sich selbst, in vielteiligen Fotoserien thematisiert, nach Fotoaktionen mit der Sofortbildkamera 1977/78, in denen er die Distanz und Nähe im Verhältnis und Umgang mit dem Medium untersucht, schließlich in den ,Cut-outs' 1979/80 mit der gesellschaftlichen Dimension der Reportagefotogratie auf der ,Jagd' nach den fotografischen Opfern und den Wirkungsfeldern, wie -mechanismen der so erlangten Informationen, äußerst kritisch und emanzipatorisch auseinander. 1978 und 1979 entstehen Folgen von Fotoarbeiten, in denen Rudolf Bonvie Pressefotos bekannter und beliebter Persönlichkeiten z.B. aus dem Showbusiness wie in den Arbeiten ,,J.R.',, ,,Karin Baal" oder ,,P.H.", alle von 1978, heranzieht, die zu unterschiedlichen Zeiten fotografiert und veröffentlicht wurden. Der formale und zeitbedingte Vergleich verschiedener Persönlichkeitszustände und psychischer Profile, macht zerstörerische Momente des Verfalls im Spiegel der fotografischen Dokumentation als Zeugnis dessen sichtbar, was die Fotografie über das Schicksal eines Menschen im Wandel der Zeit aufdeckt. Rudolf Bonvie thematisiert in diesen und weiteren
 

Arbeiten mit vergleichbarer Thematik, vor allem in der Schlüsselarbeit,,Christiane F.", von 1979 die inhaltlichen Konsequenzen des SEHENS, das als ein Problem der Fotografie parallel zum menschlichen Auge offengelegt wird. Er formuliert und instrumentalisiert mit dem Topos ,schwarzer Balken', der die Augen verdeckt, und ,schwarzer Flächen', die abgelichteten Personen ihrer Individualität berauben, sie anonymisieren, erstmalig zwei Kategorien des SEHENS:
1. die Objektivierung des SEHENS, die Distanz zum Medium Fotografie herstellt und
2. hierdurch ein Mittel der Analyse eröffnet.
Folgerichtig greift Rudolf Bonvie in seiner neuen Werkgruppe von 1989 auf dieses grundlegende formale und inhaltliche Motiv im Umgang mit und dem Verständnis von Fotografie zurück. Er knüpft künstlerisch dort wieder an, wo 1979/80 andere Herausforderungen und Fragestellungen auf seine Arbeitsprinzipien eingewirkt, den Blick auf primär existentielle Fragen gelenkt haben.
In den Werkgruppen ,,Rhapsodie nucléaire" 1987/88 und vor allem ,,Okay Crash~ 1988 bereitet sich jedoch jene Klarheit und Eindringlichkeit der Analyse subjektiver Denk- und objektiver Gestaltungsprinzipien vor, die in ,,Portrait" ihren gültigen und zukunftorientierten Ausdruck finden.

Andreas Vowinckel

(im Katalog zur Ausstellung "Rudolf Bonvie, Fotoarbeiten 1978/79, Portrait, Okay Crash" im Badischen Kunstverein Karlsruhe und in der Stadtgalerie Saarbrücken, 1990)